Montag, Januar 28, 2019

Flashback

Ich hatte eine schöne Kindheit.
Das Fazit schon mal zu Beginn ... denn es folgen keine vollmundigen Erzählungen einer Bilderbuch-Kindheit.
Ich stamme aus armen Verhältnissen. Meine Mutter ein Migratenkind, mein Vater ein Waisenkind aus dem Rand der Gesellschaft.
Ich kann mich an Zeiten erinnern, da musste gerade am Monatsende dass zum Essen reichen, was damals vom Flaschenpfand noch übrig war.

Als meine Eltern sich kennenlernten, wohne mein Vater in einem Zelt. Einen festen Wohnsitz hatte er nicht mehr, seit er mit 18 aus dem Waisenhaus kam.
Er ging zur Bundeswehr und wurde Matrose. Die Geschichten die mein Vater aus dieser Zeit erzählt sind so verrückt und wunderschön wie er selbst. Dazu vielleicht mal ein andermal mehr.

Meine Mutter ist mit 12 nach Deutschland gekommen. Mein Opa arbeitete als Gastarbeiter „uff da Hütt“ wie man so schön sagt. Meine Oma war Köchin in einem Restaurant.
Meine Mutter und ihre Schwester gingen hier zur Schule. Als meine Großeltern beschlossen wieder zurück nach (damals) Jugoslawien zurück zukehren, blieb meine Mama mit ihrer Schwester hier in Deutschland. Die genauen Umstände kenne ich nicht, nur soviel, dass meine Mutter noch Minderjährig war.
Sie arbeitete in Kneipen und lernte dort auch meinen Vater kennen.

An die erste Wohnung an die ich mich erinnern kann, war eine winzige drei Zimmerwohnung in den Slams einer Vorstadt. In meinem Zimmer war Platz für mein Bett und einer Spielzeugkiste. Spielzeug hatte ich nicht viel. Am liebsten spielte ich mit einer Holzkiste, die mein Schiff darstellte, einem Keramikhund (Hasso) und meinem Stofftier Bello.
Wir drei segelten immer um die Welt und erlebten Abenteuer wie Pippi Langstrumpf.
Später hab ich mal von Bekannten eine große Kiste Legosteine geschenkt bekommen, mit denen ich dann von morgens bis abends gebaut habe.

Ich kann mich noch dran erinnern, dass meine Eltern selten zusammen zuhause waren. Mein Vater hatte zwei Jobs. Er arbeitete als Maler und am Wochenende und an manchen Abenden als Bergmann.
Morgens wenn er von der Arbeit kam, habe ich immer am Küchenfenster gestanden. Von da aus konnte man eine lange Straße weit einblicken, die den Berg hoch zu unserer Straße führte. Und immer dann, wenn ich einen Punkt in der Ferne erkannte, habe ich mich immer gefreut und schon ganz laut gerufen. Solange, bis er nah genug war und Mama mir erlaubte ihm entgegenzulaufen.
Natürlich winkte er schon von dem Punkt aus, an dem ich ihn erkennen konnte. Wir haben den Punkt mal gemeinsam Festgelegt und so im Nachhinein betrachtet, war dass wohl anstrengend. Aber er hat es immer gemacht.
Wenn er dann zuhause war, hat er entweder geschlafen oder wir sind zum Fußball. Musste Papa nicht arbeiten, konnte er eigentlich nichts ohne mich machen. Ich war ein Papakind und bin es noch heute.

Meine Mutter hatte die klassische Hausfrauenrolle und arbeitete nebenbei in einer Kneipe.
Es kam oft vor, dass sie beide schliefen und ich mich alleine beschäftigte.

So kam es auch dazu, dass ich einmal meine Eltern im Bett wie in einem Krimi mit Kreide ummalte, also so wie die Umrisse einer Leiche und die Umrisse habe ich dann anschließend mit einer Schere  ausgeschnitten. Die Haar meiner Mutter die dann zwischenzeitlich über die Makierung kamen, mussten dann natürlich auch ab.

Ein andermal habe ich die Zuckerdose im Schrank gefunden und hab Fasching gespielt. Dabei habe ich mit vollen Händen den Zucker in der Wohnung verteilt.
Das habe ich auch mal mit Öl gemacht, aber da kenne ich nicht mehr den kindlichen Sinn dahinter.

Aber meistens habe ich mit Hasso und der Holzkiste gespielt.
Mit 4 oder 5 durfte ich draußen „alleine“ mit den Nachbarskinder spielen. Wir spielen die üblichen Straßenspiele (Verstecken, Fangen, Himmel und Hölle usw.) Manmal gingen wir in den nahegelegenen Wald oder auf das Feld neben dem Spielplatz, sammelten Grashüpfer oder spielten Fußball.

Heim musste ich immer dann, wenn die Straßenlaternen angingen. Zwischenstatus gab es für meine Mutter eigentlich nur, wenn ich aufs Klo musste oder Hunger hatte.
Aus heutiger Sicht, wo ich selbst ja Mutter bin, undenkbar. Aber aus Kindersicht fabelhaft.

Rückblickend, halte ich diese Zeit für prägend und ich denke, dass dies einen Teil von mir geformt hat. Es war der Ursprung meiner Kreativität, meiner Selbstständigkeit und meiner Fantasie.