Freitag, Februar 01, 2019

Rabenmutter

Als ich Schwanger wurde und mein Mann und ich die Entscheidung treffen mussten, wer wie arbeitet und wer wann auf unsere Tochter aufpassen würde, waren wir uns eigentlich schnell einig.

Für mich war klar, dass ich wieder arbeiten gehen möchte und das auch bereits nach den acht Wochen Mutterschutz. Selbstbestimmung und Unabhängigkeit haben für mich einen hohen Stellenwert und dies hängt nun mal mit einem gut bezahlten Job eng zusammen.
Wir hatten einen Kitaplatz gefunden, der unsere Tochter mit vier Monaten aufnahm und die Zeit bis dahin wollte ich in Teilzeit überbrücken.
Damals haben verschiedene Umstände bei meinem Arbeitgeber dazu geführt, dass ich doch nicht Teilzeit arbeiten kann und ich statt dessen wählen musste zwischen Karriere oder Teilzeit.
Long story short: ich wählte die Karriere und mein Mann blieb zuhause.

Es folgte eine Zeit die mich an meine Grenzen brachte. Neben dem Schlafentzug, Stillen, steigender Verantwortung und neuen Themen in die ich mich hineinarbeiten musste, war kaum Platz für mich. Es gab Tage, da habe ich nicht mehr als eine Stunde am Stück geschlafen und in der Summe auch oft nicht mehr als 4 Stunden. Aufgrund des Schlafentzuges hatte ich Sehstörungen. Bunte Sterne flatterten vor mir rum, so dass ich nicht mehr Autofahren konnte. Ich habe ständig Dinge vergessen, war meistens zu spät und habe die Zeit im Büro eigentlich nur aufgrund einer fabelhaften Assistenten gemeistert.

Zuhause war es teilweise ebenfalls grenzwertig, war unser Haus vor dem Kind immer tipptopp aufgeräumt, mussten wir uns daran gewöhnen, dass es nun nicht mehr normal war. Wäsche stapelte sich, Geschirr stand rum, an putzen oder Dinge organisieren war in dieser Zeit kaum zu denken.
Und das war auch wiederum ein Faktor, der stresste. Denn Unordnung machte mich wahnsinnig.

Wenn man mich heute fragt, würdest du es denn wieder so machen, wüsste ich ehrlich gesagt nicht, was die Antwort wäre.
Natürlich war es nicht schön, wie ich mich in dieser Zeit gefühlt habe. Natürlich war das Mega anstrengend. Und man hätte das auch sicher irgendwie besser lösen können.
Aber letztendlich hat es mich auch dahingebracht wo ich heute bin.
Es hat mir ermöglicht richtig krass Karriere zu machen, Erfahrung aufzubauen und mich selbst weiterzuentwickeln. Ich habe für mich festgestellt, bis wohin ich mich organisatorisch wohlfühle und bis wohin Geld glücklich macht.

Um das herauszufinden, muss man über die Grenzen hinausgehen, nur um dann festzustellen, dass es das nicht ist.
Bei mir war es ein konkreter Moment: ich freute mich meine Tochter vom Kindergarten abzuholen, denn eigentlich macht dies mein Mann. Wenn ich das gelegentlich übernahm, war die Freude immer riesig. Meine Tochter lief schon aus der Ferne in meine Arme und dazu quiekte sie fröhlich.  Das ist  immer ein toller Augenblick.
Aber an diesem Tag, hat mich meine Tochter gefragt, warum sie immer das letzte Kind im Kindergarten sein muss und ob ich sie nicht früher abholen kann. Das hat in mir was zerrissen.

Auf dem Höhepunkt meiner Karriere angekommen, habe ich meine Tochter morgens eine halbe Stunde während des Aufstehens- und Fertig-mach-Ablaufes gesehen und wenn ich abends heim kam hat sie schon geschlafen. Mir wurde klar, dass ich so eigentlich nicht weiter machen wollte.

Um die Erzählung abzukürzen: ich entschied mich, auf der Arbeit kürzer zu treten, ging in die 4-Tage-Woche und hatte einen Mutter-Tochter-Tag die Woche. Ohne Handy, ohne Laptop, ohne Erreichbarkeit. Nur ich und meine Tochter. Und das war die schönste Zeit.

Wir haben uns für ein weiteres Kind entschieden. Ich wurde schwanger und nach der Schwangerschaft machte ich ein halbes Jahr Elternzeit. Ich suchte mir einen neuen Job, bei dem ich jetzt knapp die Hälfte verdiene, aber ich bin auch doppelt so glücklich.